Bin fast erstickt In deiner Atempause.

Heute im Bus, stickig und schaukelnd zwischen Leuten, deren Blicke zu fangen ich mir hin und wieder zur Aufgabe mache, um sie zu verwirren, mich zu verwirren, weil ich es lustig finde, wie keiner dem anderen Fremden lange in die Augen schauen kann, auch ich nicht. Ich steige aus und es ist wieder da. Ein tiefer Zug, die kühle Luft nimmt Besitz von mir, wirbelt mich einmal auf und verlässt dann erwärmt wieder meinen Mund, nimmt mit, was sie finden konnte, an Angst, Zweifel, Seelendreck. Schafft Raum, mit jedem Atemzug ein bisschen mehr. Für die guten alten Träume, für konkrete Ziele. Mein Kopf wird langsam leerer, mein Körper befreit sich immer weiter, von all dem Ballast, den ich mir in den Jahren angeeignet habe, eingesogen in hastigen Zügen, um bloß nichts wieder zu verlieren, ohne zu merken, wie es mich belegt, mit einem Schleier von Innen, aus langsam immer stärker lähmenden Staub, der mich eingeengt hat, mir das Atmen schwer machte. 

Du hast mir den Atem geraubt und ihn mir in abgemessenen Portionen in bestimmten Momenten wieder gegeben, in denen ich dann geatmet habe, als ginge es um mein Leben (und das ging es wirklich), bis kurz vor der Hyperventilation, um am Ende mit einem großen Seufzer allen Sauerstoff wie aus einem Luftballon wieder rauszulassen und weiterhin auf Sparflamme leise vor mich hin zu schnaufen.

Ich verstehe nun, was das Meer mit mir macht, was schon immer solche Faszination auf mich auswirkt. Es atmet für mich. Jedes Mal, wenn ich an der Brandung stehe und die Augen anfangen zu tränen, weil ich sie einfach nicht schließen kann, solange ich in die unendliche Weite hinaus blicke, jedes Mal atmete das Meer für mich. Es pustet und strömte mit voller Kraft in mich hinein, nimmt mir die Arbeit ab und kann mir noch viel mehr geben, als nur ein zartes Anhauchen. Manchmal kann Wind so scharf sein, dass er einem den Atem raubt, doch ich kenne keinen Ort, an dem ich freier sein kann, besser atmen und spüren kann, wie es mich erfüllt, wie es in jede Ecke meines Körpers, in mein Gehirn und in meine Gefühlswelt eintaucht und alles ein bisschen leichter und klarer hinterlässt.

heute: Ich schließe meine Augen - Pohlmann.

Frische Luft ist keine Sehnsucht mehr, seit kurzem. Ich spüre sie in mir, um mich, egal wann ich mich anfangen möchte zu sehnen, ist sie schon da. Ich wurde mitgenommen ans Meer, mitgerissen und langsam, wie ein Vogel, den man nach langer Krankheit auswildert, wieder an die Freiheit gewöhnt. Doch ich möchte nicht davon fliegen, dieses Mal nicht. Nicht mehr alleine die Welt von oben betrachten und rastlos sein. Mein Nest nicht teilen wollen, aus Angst, am Ende selbst mit gebrochenen Flügeln hinauszufallen. Ich möchte genau hier bleiben und die Aussicht genießen, denn sie war nie besser, die Luft nie reiner und die Wärme, die mich umgibt noch nie echter.

Ich atme. Atme dich aus. Ich atme mich ein und nie wieder aus.



Kommentare

  1. Wow ich bin sprachlos. Was für ein stilistisch sowie inhaltlich wertvoller Text. Ich wünsche dir das dieses Gefühl noch lange anhält.

    Ganz liebe Grüße :)

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  2. Unglaublich schön!
    Und jetzt bin ich in Philipp Poisel Stimmung :)

    Liebst, Nadja

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