Ich will mehr erleben als Mich nur erinnern.

Beim samstäglichen Großputz finde ich sie. Zwei lila Salbeibonbons unter meinem Bett. Ich weiß, seit wann und wieso sie da liegen und ich weiß genau, sie riechen nach meiner Oma und schmecken nun auch bestimmt ein bisschen nach dir. Eine seltsame Mischung. Sie, schon so lange tot und du, auch irgendwie ein kleines bisschen gestorben. Ich seufze und schiebe das Bett wieder zurecht, lasse sie da liegen. Denn wohin damit, das weiß ich nicht. Für den Müll zu schade, aber sehen will ich sie auch nicht ständig. 

Beziehe das Bett neu, die vielen Kissen. Dein Duft ist schon lange ausgezogen, etwas anderes liegt nun in der Luft. Die Erinnerungen an dich zwischen meinen Decken, in diesem Zimmer, in dieser Stadt, an uns, sie verblassen, wie die Plakate überall in der Stadt, einfach nicht stark genug, von geringer Qualität, Wind und Wetter ausgesetzt und nicht für die Ewigkeit gedacht. Wochen, Monate später werden sie ausgewechselt, das Spiel beginnt von neuem.

Du warst kein doofes Plakat für mich, du warst meine Jane Eyre unter den Büchern. Viele Male durchblättert und immerwieder neue Kleinigkeiten entdeckt, die ich noch nicht kannte. Zeitlos schön, ergreifend und mit Tiefen und Höhen durchzogen, voller Leidenschaft und starker Persönlichkeiten.

Manchmal würde ich gerne sagen, ich vermisse dich. Doch was mich davon abhält, ist die Erkenntnis: es fühlt sich okay an. Nicht immer wirklich gut, wenn ich an dich denke, aber die Sehnsucht, die mich all die Zeit so ergriffen hat, ist verblasst. Es hat klick gemacht, denn das Leben geht ja doch weiter, ohne dich. Ich habe endlich den lang ersehnten Hebel gefunden und die Weichen in die richtige Richtung gelegt.
Analog auf St. Peterording
Jane Eyre ist mein Lieblingsbuch und du wirst immer eine meiner Lieblingsgeschichten bleiben. Weil du großartig und besonders warst, weil du mich mitgerissen hast, wie kaum eine andere Geschichte und mich Dinge gelehrt hast, die ich so nicht erfahren hätte. Im Guten, wie im Schlechten.

Doch Geschichten sind Geschichten, weil sie niemals lebendig werden können, ein Traum, ein Hirngespinst oder vielleicht auch wirklich einmal geschehen sind, aber nicht immer wieder neu erlebt werden können. Es sei denn, man schreibt weiter, versucht einen zweiten Teil, an das Ende anzuknüpfen und daraus eine Fortsetzung zu drehen, doch ich bezweifle, dass Fontane damit einverstanden wäre, denn sein HappyEnd ist definitiv ein Ende und wirklich, wirklich gut.

Deshalb begnüge ich mich damit, unsere Geschichte gut aufzubewahren, sie zu schätzen und ab und zu die Seiten durch zu blättern, meine Lieblingsstellen nochmal Revue passieren zu lassen und immer wieder zu spüren, was mir besonders gut gefallen hat, aber auch, was nicht. Nämlich das, was mich veranlasst, nun etwas Neues anzufangen, eine neue Geschichte in mein Leben regnen zu lassen und den Moment zu genießen, wenn man nach nur wenigen Seiten schon weiß, das könnte es sein, mein neues liebstes Buch.

Kommentare

  1. Ich kann mich mit jedem einzelnen Wort identifizieren. Irgendwie so simpel und doch so wahr.
    Es ist Samstagmorgen, ich lieg im Bett und hänge meinen Gedanken nach und lese deinen Text. Du hast mir ein gutes Gefühl gegeben, ich freue mich darauf, in diesen Tag zu starten und heute Abend vielleicht wieder mal in den Ausgang zu gehen. Vielen Dank dafür!

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    1. Solche Worte sind wirklich Balsam für die Seele, DANKE dass ich damit jemanden erreichen kann :)

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