Halleluja Ding-Dong Happy, habt ihr alle was ihr braucht.

Money left to burn - Kettcar
Heute, als ich mit ner dicken Einkaufstasche beladen durch die Hamburger Innenstadt lief, auf dem Weg in den nächsten Laden, mit dem Telefon an Ohr, fiel er mir in den Augenwinkeln auf. Ein Mann vor einer Hauswand sitzend, um ihn herum drei große, wunderschöne Hunde, ein Schild mit "arbeitsloser Schäfer" neben sich. Ich ging zuerst vorbei, doch hielt inne, kramte meinen Geldbeutel heraus und suchte ein paar Münzen zusammen, ging ein paar Schritte zurück und legte dem Mann das Geld in die Mütze vor ihm, erntete ein lächelndes Danke und hätte gerne noch die Hunde gestreichelt, aber ging dann doch weiter. 

Ich fühlte mich nicht gut danach, nicht wie "och jetzt hab ich aber ne gute Tat heute vollbracht", sondern eher mies. Wie immer nach so einem Moment. Tag für Tag gehe ich an Menschen vorbei, die betteln müssen, um überhaupt was zu essen zu haben, während ich mich dazu entscheiden kann, ob ich zu Biolebensmitteln greife oder auf dem Markt einkaufe. Manchmal denke ich so intensiv über das ganze Leid um mich herum und in der Welt nach, dass es mich droht zu ersticken, dass mir die Luft wegbleibt, bei all den Gedanken die mir dann kommen. Wie ungerecht es doch ist, dass ich so viel haben kann, ein warmes Bett, eine eigene Wohnung, gute Kleider und sogar einen verdammten Trockner im Bad, während andere noch nicht einmal das Nötigste zum Leben besitzen. Ich könnte ewig aufzählen, was ich zu viel habe, alle Sachen auf einen Haufen werfen und mir überlegen, was ich damit sinnvolles anstellen kann, spenden, helfen, irgendwas tun. Doch ich tue es nicht. Zumindest nicht in dem Ausmaß, in dem ich es könnte. 

Stattdessen stehe ich zweimal die Woche im Getränkemarkt und verkaufe Bier und Schnaps an die, die da draußen dann an der Ecke sitzen und glucksend in die Leere starren. Und was tue ich dabei? Ich ekel mich regelmäßig. Vor Schnapsfahnen und Männern, die bestimmt schon Monate keine warme Dusche genossen haben, die ihr Elend mit einer viel zu starken Parfumfahne übertünchen und mich freudig angrinsen, wenn ich ihnen ihr Wechselgeld gebe, um dann eine halbe Stunde später wieder vor mir zu stehen, mit dem nächsten Schub von Bierflaschen in den Armen einem immer glasiger werdenden Blick, das Gesicht noch röter und aufgequollener als beim Mal zuvor. Ich ekel mich, wenn ich das Geld entgegen nehme, und ekel mich, wenn mir wieder der Geruch in die Nase steigt. Und gleichzeitig tun mir diese Menschen so unglaublich leid, gleichzeitig möchte ich sie schütteln und ihnen die Sucht aus den Knochen klopfen, ihnen ein anderes Licht am Ende des Tunnels zeigen, als der Alkohol und ihnen Hoffnung schenken, eine ganze, große Flasche Hoffnung. Ihnen zeigen, dass es einen Ausweg gibt und sie es nur wollen müssen. Es macht mich traurig, es lässt mich manchmal einfach nicht los, wieso man es so weit kommen lässt. Was muss in einem Menschen passiert sein, dass er nur noch den Alkohol als Ausweg sieht. Wieso? Ist es Faulheit und Resigniertheit, die es soweit gebracht hat? Oder ist etwas passiert, womit kein Mensch so leicht klar kommen kann, ist die Frau gestorben oder wurde man plötzlich arbeitsunfähig? Hatte man einfach Pech im Leben, eine Reihe unglücklicher Ereignisse, die einen immer weiter runter gebracht haben? Wieviel ist man wirklich selbst verantwortlich für sein Glück oder Unglück und inwiefern gibt es da eine höhere Macht, die entscheidet, auf welcher Seite man landet? Und, so frage ich mich am häufigsten, ist da noch Jemand zuhause, der auf einen wartet oder ist es die Einsamkeit, die einen fliehen lässt in Welten, in denen es immerhin den Schein von Wärme gibt, der einen nach ein paar Flaschen endlich umhüllt und weggträgt in eine bessere Welt.

Ich tue mir manchmal wirklich schwer, jemanden der mich aus so traurigen Augen anschaut, einfach zu ignorieren und weiter zu gehen, weiter Dinge zu kaufen, die ich manchmal nicht unbedingt brauche, aber mir kaufen kann, weil ich einen Job habe, Eltern die mich unterstützen. Ich fühle mich dann schnell arrogant und ignorant, als würde ich denken, ich bin etwas besseres, doch gleichzeitig weiß ich auch, ich kann nicht jedem was geben, nicht allen helfen und nicht ununterbrochen Mitleid haben. Wie oft fließt das geschenkte Geld dann wieder in Alkohol und nicht in was nahrhaftes zu essen? Ich kann mit meiner Spende keinen Wandel erreichen, der Mensch kann immernoch die falsche Entscheidung treffen und in eine Sucht investieren. Ich bin nicht verantwortlich dafür, was ein anderer aus seinem Leben macht und wenn man eine Besserung möchte, dann kann man die, so wie ich in unserem Land doch hoffe, auch erreichen.

Doch wann ich einfach nicht mehr anders kann, ist bei Leuten wie heute, dem Mann mit den drei Hunden. Tiere haben für mich so einen großen Stellenwert, vorallem weil sie einfach nicht selbst entscheiden können, was sie tun, nichts dafür können, wo sie landen und weil sie in so vielen Fällen auf den Mensch angewiesen sind. Ich habe heute dem Bild, das sich mir dar bot einfach glauben wollen, habe den arbeitslosen Schäfer als genau das gesehen, und nicht als weiterer Alkoholabhängiger, der mein Geld in die nächste Schnapsflasche investiert, ich habe vertraut und mir vorgestellt, der Mann nutzt mein Geld vielleicht für seine Hunde, hat vielleicht auch so ein großes Herz für Tiere, die ihm sicher viel Geborgenheit geben und das Gefühl vermitteln, nicht alleine zu sein. Ich glaube daran, den sonst würde ich heute nicht mehr aufhören können, um die Hunde zu trauern. 

Und wie so oft nehme ich mir nach so Tagen vor, das nächste Mal gebe ich kein Geld, das nächste Mal kaufe ich etwas zu Essen, für Mensch oder Tier und vor allem: das nächste Mal überlege ich es mir zweimal, was ICH mir da kaufe. Viel zu wenig schätzt man doch das, was man hat und vermisst das, was man nie haben wird...  ein ewiger, elendiger Teufelskreis.

Kommentare

  1. Das ist wirklich schön,
    manchmal fühle ich mich auch so,
    manchmal habe ich tiefes Mitgefühl mit den Menschen
    letztendlich weiss ich aber auch dass ich nichts tun kann,
    gebe ihnen trotzdem etwas
    und hoffe dass es ein bisschen hilft.
    Wir können die Welt nicht ändern und das Elend nicht aufhalten
    trotzdem brauchen wir die Hoffnung dass es einmal besser wird.
    Ich glaube dies Menschen haben einfach die Hoffnung in ihrem Leben verloren
    und sehen keinen anderen Weg.
    Ich hab' Dich sehr lieb
    und bin froh, dass Du ein Mensch bist der mit
    Mitgefühl durch die Welt geht.
    Deine Mama

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