Jahresabschlussbericht.

Dieses Jahr hat mir so einiges gegeben, an dem ich wachsen oder alternativ verzweifeln konnte. Gefühlt bin ich noch nie so viel gelaufen wie in den letzten 12 Monaten. Nur leider viel zu selten mit Sportschuhen durch den Stadtpark, sondern entweder in 12h Schichten oder immer wieder irgendeiner Sache hinterher, blind und ignorant vorbei an Stopp- und Warnschildern wie sie deutlicher nicht sein könnten, bis ich irgendwann nicht mehr weiterkam, die Mauer einfach zu hoch und ich kraftlos und außer Puste.

Was lerne ich daraus? Rennen ist nie die Lösung, weder hinterher noch vor irgendwas weg, denn man nimmt sich egal wohin, immer selbst mit. Und meistens ist dass das Problem. Nicht der Mann oder die Sache, der man hinterherläuft, sondern das, was man mit sich trägt. Denn wenn man mit sich selbst im Reinen wäre, müsste man nicht rennen und kämpfen, dann würde man darauf vertrauen, dass alles so kommt, wie es sein soll. Und wenn man ganz viel Pech hat, geht einem die Belastung dann wortwörtlich bis auf die Knochen. Und man leidet doppelt.

Am Ende des Jahres „habe“ ich auf den ersten Blick weniger als Ende letzten Jahres und nicht viel, worauf ich wirklich stolz bin. Ich bin wieder Single, wohne wieder in einer WG, habe noch nie so wenig Sport gemacht wie in diesem Jahr, wünsche mir eine neue Hüfte und wenn mich noch einer fragt, was ich nach meinem Studium machen will, fange ich an zu schreien. Wo es für mich nächstes Jahr hingeht? Wusste ich nie so wenig, wie gerade.

Aber wenn ich mal ehrlich zu mir selbst bin, habe ich dieses Jahr doch mehr gewonnen, als verloren, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht:

1. Ich bin endlich über Ihn hinweg. Ich kann aus tiefstem Herzen sagen, es berührt mich nicht mehr und egal was er tut, es wird mich nicht mehr zurückwerfen. Es ist vorbei, einfach nur vorbei. Und damit ist eine zentnerschwere Last von mir abgefallen.

2. Ich habe zwar meine Beziehung verloren und den Traum der Pärchen Wohnung aufgeben, aber ich weiß jetzt endlich, wie das ist und ich kann sagen: es ist schön, war eine wichtige und auch richtige Erfahrung und fühlte sich verdammt erwachsen und cool an zu sagen „Ich wohne mit meinem Freund zusammen“ –bam! Aber im Grunde brauche ich das jetzt noch gar nicht. Ich will mich noch nicht so festlegen und ich habe keine Lust auf diese Ausmaße des Alltags, ich will das Bett nicht immer teilen und will so lange in meinen Krümeln und meinem Chaos schlafen, bis ich es selbst nicht mehr aushalte, will keine Socken sortieren und Dinge einkaufen, die ich nicht mag und ich will nächtelang lesen, schreiben, Serien gucken, oder auch einfach um 1.30Uhr Nachts beschließen, noch weg zu gehen, ohne Rücksicht.

3. Und noch wichtiger: endlich fühlt sich die Wohnung wieder wie ein Zuhause an. Dass aus einer Sache, die mir so schwer im Magen lag wie die Wohnungssorgen Mitte des Jahres so etwas Gutes entstehen könnte, hätte ich niemals für möglich gehalten. Ich habe nicht nur eine neue Mitbewohnerin gefunden, sondern vielmehr eine gute Freundin, die ich auch über unsere gemeinsame Zeit hinaus nicht mehr missen möchte. Manche Begegnungen sind genau zur richtigen Zeit und irgendwie schicksalhaft, davon bin ich immer wieder überzeugt.

4. Das Jahr hat irgendwie ohne Elan begonnen, ich hatte keine Aufgabe, die mir wirklich Spaß macht und hätte meine Energie gerne wieder für was aufgebracht, hinter dem ich stehen kann. Dass sich das so bald nach dem Jahreswechsel ändert, hätte ich nicht erwartet und es hat mich so schnell die Euphorie und Kraft gepackt, dass ich mich lange gar nicht mehr auf andere Dinge nebenher konzentrieren konnte. Und auch wenn ich gerade denke, ich wäre gerne ein bisschen „mehr“ als das, was ich gerade bin, bin ich überglücklich, dass ich diese Möglichkeit aufgetan hat, denn die Leute, die Arbeit und das Selbstvertrauen was ich dadurch bekommen habe sind unersetzlich geworden. Wie auch, wenn man gefühlt 80% seiner Zeit dort verbringt. Wer weiß, wohin mich das alles noch bringt, aber ich weiß, ich muss lockerlassen, denn auch hier bin ich mir ziemlich sicher, dass sich das Richtige für mich noch ergeben wird.

5. Ich bin geflogen! Endlich. Zweimal (bzw. vier) sogar, auch wenn es nur Kurzstreckenflüge waren, habe ich das endlich angepackt und mich meiner Angst gestellt. Auch wenn ich immer noch nicht ganz davon überzeugt bin und tausendmal lieber den Zug nehme, wenn es sich anbietet, bin ich doch ziemlich froh und stolz, dass ich mich überwunden habe und sich mir dadurch schier endlose Möglichkeiten geöffnet haben, die ich hoffentlich im nächsten Jahr weiter ausbauen werde... Irgendwie bleibe ich doch immer wieder beim „learning to fly“ hängen...

6. Gefühlt habe ich in keinem Jahr so viel Zeit mit guten Freunden verbracht und wiedermal gemerkt, wie besonders sie sind und wie glücklich mich macht zu wissen, wer der innere Kern ist und immer hinter mir steht. Ich bin dankbar, für Begegnungen, die ich so nicht erwartet habe und für Beziehungen die wieder tiefer wurden, nachdem man sich voneinander entfernt hatte – auch das braucht es wohl manchmal und es hat uns nicht geschadet, eher im Gegenteil. Das nehme ich mit, über die Zeit hinweg bleiben das die Erfolge, die für mich am meisten zählen. Zu wissen, ich bin jemandem wichtig und gleichzeitig jemand zu sein, auf den sich andere gerne verlassen. Wenn ich es schon nicht schaffe, eine vernünftige, langfristige Beziehung zu führen gibt mir das doch ziemlich viel und vor allem auch die Erkenntnis, dass es nicht an meiner „Beziehungsunfähigkeit“ liegt, sondern einfach daran, dass der Richtige noch nicht dabei war.

7. Und da bin ich. Verwirrt wo es hingeht, enttäuscht, was alles schiefgegangen ist und keine wirkliche Ahnung wer ich denn eigentlich bin und was mich so richtig ausmacht. Ich habe gerade und auch generell keinen großen Traum und meine berufliche Laufbahn nicht für die nächsten 15 Jahre durchgeplant. Ich weiß noch nicht mal ob ich die drei Klausuren in einem Monat durchziehen werde und hab schon recht keine Ahnung, ob ich schon fertig sein möchte mit studieren oder das ganze doch besser noch vertiefen will. Ich habe keine Ahnung und es macht mir zeitweise ziemlich Angst. Und dann denke ich wieder daran, wie alt ich bin, dass es mit 24 noch nicht allerhöchste Eisenbahn ist und ich eigentlich noch gar nicht erlebt habe, was ich gerne noch tun möchte. Die eine Sache, die mir beim Gedanken daran immer ein komisches Ziehen in der Magengegend verschafft, die ich nicht recht einschätzen kann. Will ich das echt? Bin ich dann nur eine von vielen? Bringt mir das was oder ist das auch nur eine Art weglaufen? Und wohin überhaupt? Alleine, mit jemand zusammen? Nur reisen oder studieren? Vielleicht doch besser was für den Lebenslauf tun und  irgendwo arbeiten? Was für andere schaffen, denen es weniger gut geht und vielleicht dadurch auch mal was für mich, meine Persönlichkeit? Ich. Weiß. Es. Einfach. Nicht.

Aber das lässt sich herausfinden, denke ich. Nächstes Jahr, nicht mehr jetzt. Die letzten zwei Wochen möchte ich einfach nur so entspannt wie möglich hinter mich bringen, auch wenn ich genau weiß, dass Entspannung nicht gerade viel Platz in meinem Terminplaner bekommen hat. Also so gar keinen.

Und meine Vorsätze für nächstes Jahr? Weitermachen. Niemals aufgeben und mich nicht mehr unter meinem Wert verkaufen, denn wenn mich was in diesem Jahr geprägt hat, dann das. Aber dafür ist es wahrscheinlich erstmal nötig, meinen Wert zu kennen und das ist nicht von heute auf morgen abzuhaken, dafür braucht es Arbeit und davor graust es mir. Aber im Endeffekt weiß ich, dass es jetzt endlich an der Zeit dafür ist und...


Ich fühl mich federleicht, weil es sich fast immer lohnt.

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