Gute Bekannte.

16/07/17 "Manchmal weiß ich nicht recht, ob ich mir so gut trauen kann. Ob ich nicht viel zu sehr gerade IRGENDWAS fühlen will und mir deshalb so oft einbilde, DASS ich was fühle. "

Hand in Hand, so tun als ob. Erst befremdlich, dann immer vertrauter, irgendwann schon fast normal, wenn er vor seinen Freunden den Arm um mich legte, mich küsste, von unserer Reise sprach. Ich kam nicht ganz mit, wusste nicht recht was da passiert, blieb regungslos und still, weil ich es einmal anders machen wollte. Einmal weniger interpretieren und investieren, endlich mal cool und angepasst an die heutzutage so moderne Unverbindlichkeit sein. Wir hatten es ausgeschlossen, also halte ich mich dran - dachte ich. Auch wenn die Alarmglocken nicht schriller hätten läuten können. 

Ich hab mich darauf eingelassen, weil es leicht war. Wir mussten nicht lange um den heißen Brei herumreden, wir konnten genau da anfangen, wo wir hin wollten. Wir kannten uns, wussten was wir vom anderen erwarten können, mussten uns nicht verstellen und erst ewig kennenlernen und schon gar nicht tiefgründig reden, uns öffnen oder versuchen dem anderen außerordentlich zu gefallen. Und trotzdem habe ich mich verstellt, bei dem einen Thema, immer und immer wieder. Die Leichtigkeit des Ganzen war so angenehm und aufregend, ich schlief so gerne und gut mit ihm ein. Dann verpassten wir den Absprung zurück in die unverbindliche Von-Zeit-zu-Zeit-Affäre. Die Nächte wurden zur Regel, der Alkohol am Abend weniger und ich wollte morgens nicht mehr so unbedingt schnell nach Hause in mein eigenes Bett. Er wurde mein Lieblingsfrühstücksdate.

Er war mein Sommer, den ich so nicht geplant hatte. In den Wochen und Monaten vor ihm hatte ich seit Ewigkeiten endlich mal wieder das Gefühl "mir fehlt niemand" und dabei wollte ich bleiben. Auch mit ihm hat mir niemand gefehlt, auch nicht wenn er nicht da war, weil er mir ein gutes Gefühl gegeben hat, ohne mir wirklich etwas zu geben. Kein Hinterherrennen, keine komplizierten Momente, es tat einfach nicht weh und das war wichtiger als all das was vielleicht fehlte. Offen reden zu können, zum Beispiel. 

Und dann wurde es mehr. Nicht unbedingt tiefer, aber umfangreicher. Die kleinen Zeichen machten mich glücklich, ein "ich freu mich auf dich, ich will dich bei mir haben". Weniger schnacken, mehr machen. Man wusste, man sieht sich regelmäßig, Barcelona, Porto - schnell wurden wir übermütig. Bei Neuseeland hatte ich von Anfang an ein mulmiges Gefühl. Eine Nummer zu groß, ein bisschen zu viel Traumvorstellung. Und eigentlich war das mein Traum, meine Zeit, ich wusste, ich brauche das. Zu viel Ungesagtes aber zumindest von mir durchgängig intensiv Durchdachtes lag in der Luft, Missverständnisse schlichen sich ein, ich hatte Angst dass es endet, dachte ich bin nur eine von Vielen, wie könnte es auch anders sein, lenkte mich von meinen Gefühlen ab, machte Fehler und bereute sie sogleich um schlussendlich wiederum zu bereuen, sie jemals erwähnt zu haben. Dennoch war die Illusion zuerst fast perfekt und wir haben sie klaglos angenommen. Uns darin wohl gefühlt. Wie oft habe ich gedacht, wie schön wenn jetzt Jemand der uns sieht denkt, wir sind ein Paar. Wie oft habe ich vor Fremden von "Meinem Freund" gesprochen, weil einfacher war und wie oft habe ich mich gefragt, ob es ihm genauso geht. Und erstaunlich, wie lange man sich selbst was verheimlichen kann. Bis die Realität mit solch einer Wucht auf uns eintraf, und wir plötzlich weiter voneinander entfernt waren, wie je zuvor. Tendenz steigend.

Leugnen funktioniert wunderbar, wenn man nicht verletzt werden will, sich vor Ablehnung und seinen eigenen Gefühlen fürchtet. Wir tun kühl und aufgeklärt, unkompliziert und verfallen nicht in Gefühlsduseleien, weil ja "alles locker, alles easy" bleiben muss, sonst würden wir unser Gesicht verlieren, denken wir. Fragen nicht, hinterfragen nicht und etwas zu fordern würden wir uns ja schon gar nicht trauen. Wer zuerst fühlt, verliert. Und es ist ja nicht so, als hätten wir alle Gefühle. Und als könnte man dazu auch einfach mal stehen. Und es ist ja auch nicht so, als wäre ich einer der gefühlvollsten Menschen, die ich kenne, die so enorm viel zu geben haben, würde man mich nur lassen... Ich war 15% davon, wie ich sein könnte. 85% zu wenig. 

16/07/2017 "... aber er tut mir eigentlich gut, es könnte doch vielleicht mehr sein? Ich denke, das ist das Problem. Ich wünsche mir, mehr zu sein, ohne dass ich mir bewusst mache, dass nicht ich zu wenig bin, sondern die anderen vielleicht einfach nicht genug für mich. Ich brauche mehr. Mehr Tiefe. Mehr von dem, was wirklich zählt. Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich gerade niemandem öffnen will, um nicht verletzt zu werden, weil es einfach ist auf Altes, Bekanntes zurück zugreifen. Weil man weiß wie es ist, weiß dass es nicht weh tun wird und es einschätzen kann. Aber mein Herz kann gar nichts, so sehr sehnt es sich nach Liebe. Das kann ich leugnen wie ich will. Ich will mich verlieben! So richtig und ECHT. Und das ist das Problem. Es probiert es immer wieder, sobald sich die kleinste Gelegenheit bietet, ohne abschätzen zu können, ob das Sinn macht. Wie auch, es ist ein dummes Herz." 

4 Monate lang, eigentlich schon länger, weiß ich das. Schwarz auf weiß hab ich diese Gedanken gebracht und mir ja offensichtlich was dabei gedacht, etwas gefühlt und geahnt. Und dennoch, es ist, als habe ich die Worte, indem ich sie in den Raum, auf Papier gebracht habe, aus meinem Kopf hinaus gespuckt und anschließend verloren und erst jetzt, beim Zurückblättern wieder gefunden. Und dafür liebe ich eigentlich meine Bücher, denn das erinnert mich immer wieder daran, dass ich die Wahrheit eigentlich ja schon in mir hatte, aber es so vieles gibt, was sie überdeckt und verzerrt. Am meisten man selbst, weil man es nicht wahr haben will, weil überall die Chancen zu lauern scheinen, sich selbst mal wieder gewaltig in die Pfanne zu hauen.

Hätte ich 4 Monate früher nicht nur drüber nachgedacht, aufgeschrieben und wieder das Buch zugeklappt, sondern nach dem gehandelt, den Mund aufgemacht und einfach Stopp gesagt anstatt mich weiterhin in der Wolke aus "Hätte würde könnte" zu verstecken, dann sähe die Welt, meine Welt womöglich gerade ganz anders aus. Aber ob anders besser oder anders schlechter weiß ich nicht. Hätte ich Neuseeland wirklich gebucht? Stünde mir jetzt die größte und sicherlich eindrucksvollste Erfahrung meines bisherigen Lebens bevor?  Hätte ich so einen entspannten und schönen Sommer gehabt, so viele neue Orte entdeckt und "einfach mal machen" so sehr genossen? Hätte ich den Mut gefunden, Dinge anzupacken ohne seine Worte, sein Beispiel, seine Art? Man weiß es nicht, wird es nie wissen und es ist Schwachsinn darüber überhaupt nachzudenken. Er tat mir gut und das war es wert. 

Denn er ist das komplette Gegenteil von ihm. Jemand mit Plan, rationaler, gefasster. Erwachsener und nicht so verträumt. Der mich nicht bedrängt, mir Freiraum lässt, nichts einfordert was ich nicht geben kann. Er hat mich vielleicht nicht mitgerissen, aber mich auch nicht runtergezogen, ich bin nicht übergelaufen vor Gefühlen, aber auch nicht vor Tränen. Er war wichtig zum runterkommen und er hat mir das gegeben, was ich mir zuletzt so gewünscht habe. Einfach mal spontan sein und machen. Reisen, entdecken, genießen. Nicht so viel nachdenken. Er hat mir geholfen die Leichtigkeit zurück zu gewinnen, die jemand anders mir genommen hat. Jetzt bin ich wieder bei Null, gefestigt, irgendwie neutral und das ist doch schonmal kein Negativwert. 

Doch hätte ich mal wirklich 4 Monate früher reagiert und das alles nicht so weit kommen lassen, dann würde zumindest ein Teil von mir jetzt nicht so extrem struggeln. Andererseits, hätte er, hätten wir auch einfach mal früher Klartext geredet und nicht einfach gar nicht, dann wäre es garantiert anders verlaufen. Und das ist der Punkt. Es war einfacher nichts zu sagen und sich in das angenehme "Als wäre es Echt"- Gefühl zu kuscheln, es zu genießen und nebenbei zu vergessen, dass man nicht ewig so weiter machen kann ohne der Sache mal eine gemeinsame Richtung zu geben. Oder ein Ende. 

Ja, ich bin noch jung und er ein paar Jahre älter. Man sollte meinen, er weiß so langsam was er tut und will, dass es nicht so ist, liegt unserer Generation leider nicht sonderlich fern. Nicht umsonst ist Beziehungsunfähig wohl das Trendwort schlechthin. Und die Ausrede für alles. Wer legt sich schon noch gerne fest, wenn es so viele Optionen gibt. Wer sagt schon noch geradeheraus was er fühlt und denkt, wenn man nicht das Gefühl hat, es zu müssen. Weil der andere ja auch so denkt, weil man sein Denken nicht mehr so einfach teilt und schon gar nicht zu seinen Gefühlen steht, bevor man nicht genau weiß, dass man damit nicht entblößt alleine da steht. Beziehungsunfähig sind die meisten vor allem in der Beziehung mit sich selbst. 

Ich wusste schon vor unserer Geschichte was ich will. Nicht von ihm, sondern allgemein. Nämlich nicht schon wieder eine Sache, die mich nicht gänzlich ausfüllt. Ich bin 25 und kann für mich sagen: ich hab keine Lust mehr, ich bin bereit für Ihn. Bereit für den Jenigen, den ich auch noch in vielen Jahren ertragen möchte. Ich hab genug erlebt, geliebt und gelitten, Fehler gemacht. Ich hab genug ausprobiert und meine Grenzen zur Genüge ausgetestet. Ich weiß, was ich nie mehr vermissen will und was für mich in einer Beziehung unerlässlich ist. Damit ich mich nochmal auf jemand einlasse, muss einiges passieren, denn dann will ich mir sicher sein, dass es nichts ist, wovon ich mich mit Leichtigkeit wieder lösen kann, in Monaten, Jahren, Momenten. Ich will nicht mehr investieren und meine Zeit mit Leuten verschwenden, die es ganz offensichtlich nicht ins nächste Jahr schaffen. Also mit mir zusammen. Denn das ist es nunmal, Verschwendung von Energie, die man für andere Dinge aufbringen könnte, die wichtiger sind als ein bisschen Spaß und Ablenkung. Ich will mich nicht mehr ablenken, weil es da nichts mehr gibt was abgelenkt werden müsste. 

Ob wir zusammen funktioniert hätten? - Wer weiß das schon. Vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet bestimmt nicht. Wir haben es ja nie wirklich probiert. Auch wenn das, was ich erlebt habe, Potential hatte. Hätten wir uns mal eine Chance geben können das wirklich rauszufinden? Sind unsere Altlasten einfach noch zu schwer? Ich weiß es nicht, weiß das alles nicht, werde es vielleicht nie herausfinden, weil ich mir zwar immer gewünscht habe, er würde sich mir öffnen, weil ich so ein Mensch bin, bei dem man das machen kann und der damit nicht spielt, aber dennoch war unsere Zeit wohl dafür nicht die Richtige. 

Ich bin kein Fan davon, Dinge schnell aufzugeben, ich bin ein kleiner Löwe und ich habe wenns drauf ankommt Kraft für 10 um an etwas festzuhalten was mir wichtig erscheint.  Doch die letzten Wochen haben mich erschöpft, haben mich wieder leiden lassen und ich glaube ihm nun einfach. Er will es so, er hat es so für uns entschieden, wir rutschen schnellst möglich von "Beinahe-Zusamme"n wie in so einer Freefall-Rutsche ab in die Friendzone. Von 150 auf 0 in 0,5 Sekunden. Weils einfach ist, weil dann ja wieder "alles gut, alles easy" ist. Im Grunde auch echt schön, denn so kann man den Kontakt ausschleichen lassen. Tag für Tag, Woche für Woche und muss nicht mit dem abrupten Verlust klar kommen. Ich dachte zuerst, das ist besser. Doch im Grunde ist es ein ziemlich mieses, feiges Konstrukt. Das ist wieder mein leidiger Cola light Gedanke, das Ersatzprodukt, das doch nicht ganz verzichten aber dann dennoch auf das verzichten, was uns so verbunden hat. Damit fühlst du dich gut, nicht wahr? Mir das Freundschaftlabel aufzudrücken und mir damit das Gefühl geben zu wollen, dass das ja so viel mehr wert ist. Als Liebe? An dem Punkt bin ich wirklich noch ein wenig wütend. Es ist nur einfacher und bequem. Und ich bin verdammt nochmal nicht der Trostpreis. Trotz all der Erkenntnis, ich kann gerade nicht. Ich kann meine Gefühle nicht einfach so schnell dahin zurück quetschen wo sie her kommen weil ich nun den "jetzt darfst du aber nix mehr fühlen, dass das klar ist, wir sind ja nur Freunde" - Sticker auf der Stirn habe. 

Oder wie Alligatoah sagen würde: Gib mir die Hand, wir sind gute Bekannte. Es gibt keinen Zwang, keine verruchten Gedanken. Du weißt, irgendwann verläuft es spurlos im Sande. Aber ist doch egal, wir war'n nur gute Bekannte.

Für mich selbst merke ich, wie viel und intensiv alles in mir gerade arbeitet, spüre dass es Veränderungen mit sich zieht, die größer sind als ich auf einmal zu fassen vermag. Ich habe so oft schon davon gesprochen, der Zeit für MICH, aber erst jetzt weiß ich, dass sie wirklich gekommen ist. Äußerlich und innerlich. Texte schreiben, alles auf Papier bringen um bloß nicht wieder vergessen, wo ich gerade stehe. Und bald lande. Ich brauche Zeit für mich und Raum um das alles zu verstehen, was mit mir manchmal nicht stimmt und wer ich eigentlich bin und sein will. Ich weiß, dass ich noch nicht ganz bei mir angekommen bin und spüre, dass es noch einiges an Arbeit benötigt um mich endlich gänzlich "Richtig" zu fühlen. Doch ich merke, dass der erste Schritt getan ist und das Problem und die mögliche Veränderung überhaupt zu erkennen und anzunehmen schon einiges ins Rollen bringt. Ich weiß genau, der Weg wird für mich nicht leicht und Neuseeland nicht nur ein Spaßtrip sondern in vielerlei Hinsicht auch harte Arbeit. Aber zum Glück endlich mal keine körperliche, sondern in mir drin, dort wo es wirklich drauf ankommt. Weg von all den Geschichten die meine Gedanken so intensiv einnehmen, die aber nicht im Ansatz so wichtig und denen nicht so viel Platz zugesprochen werden sollte. Ich will das. Ich will die harte Arbeit und ich will danach verändert daraus hervorgehen, ein Neuanfang mit mir selbst wagen und mich wieder anders kennen lernen. Und vor allem meinen Wert wieder schätzen können.

05/10/2017 "Es hält mich gerade auf - ohne wäre ich freier, offener, produktiver - BESSER. Mehr ICH, zielgerichteter, weniger..."

So ist es. Alleine bin ich besser, stärker, selbstbewusster und reifer, das wusste ich immer und durfte es immer wieder erleben. Ich muss dennoch die Gefühle jetzt zulassen, kann zugeben dass ich traurig, verletzt und dennoch immer noch etwas verliebt bin. Dass die Anziehung noch da ist, aber mich nicht umhaut. Ich komm damit zurecht, ich weiß, es vergeht, von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Ich bin nicht mehr 16, ich weiß, dass der Hase hoppelt und nicht läuft und ich mach mir nichts mehr vor in der Hinsicht. Weil es einfach nicht groß genug war um irgendwas zu werden. 

Und gleichzeitig muss ich mir aber immer noch eingestehen, dass ich hoffe, ihn dort zu sehen. Dass er aus dem Bauch handelt und vielleicht umentscheidet, spontan wie er ist. Wenigstens ein kleines Stück, als Freunde ohne Plus. Es ist verrückt, es ist bescheuert, es macht keinen Sinn. Aber vielleicht deshalb umso mehr. Vielleicht ist es auch eine Art aus alten Mustern auszubrechen, nicht wegzurennen und "einfach mal machen". Ich weiß nicht, wie oft ich das dieses Jahr schon gehört, gelesen, gefühlt und getan habe. Aber irgendwie ist es immer genau richtig gewesen.


So oder so oder so.
I´m up all night to get lucky - so war er in meinen Augen, das war ich für ihn. Ich bin froh, dass ich ihn jetzt auch noch anders kennen lernen durfte. Und mich nicht getäuscht habe in meinem Gefühl, das hinter der Fassade auch einiges mehr steckt als er zeigt. Und selbst wenn ich nicht die Jenige bin, die da noch mehr von kennen lernen darf, will ich doch irgendwie dennoch in seiner Nähe bleiben (wenn auch wohl nicht räumlich, denn dafür trennen uns ständig 10293034 km.) weil er eines am Ende doch ziemlich fair und besser gemacht hat, als so manch anderer zuvor: er bleibt, einfach so.




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